Teamwork: Nähren und Bestäuben

Fehlt noch ein Weihnachtsgeschenk? Dann habe ich eine Idee: Im Buch von Leander Scholz – Zusammen leben – habe ich die wunderbaren Sätze gelesen: „Im Umgang mit Kindern kann man die enormen Anstrengungen der Demokratie lernen. Nichts lässt sich befehlen, ohne zu schaden.“

So spannend und flüssig geschrieben, dass ich es kaum aus der Hand legen wollte, schlägt Leander Scholz auf gut 150 lesenswerten Seiten einen weiten Bogen vom Leben mit seinem Sohn zu aktuellen gesellschaftlichen Themen, von der Antike zur Globalisierung.

Nach der Geburt seines Sohnes ging er eineinhalb Jahre in Elternzeit und reflektierte während dieser Monate die Veränderungen in seinem Gefühlserleben als Mann und Vater, die Wandlung der Beziehungen in der Familie und im sozialen Umfeld. Doch er bleibt glücklicherweise nicht bei der Schilderung stehen, sondern setzt seine Erfahrungen in der Fürsorge für seinen Sohn in Beziehung zu den wirtschaftlichen und historischen Rahmenbedingungen unserer Gesellschaft.

Erziehung zur Demokratie

Die vor 50 Jahren aktuelle Parole, alles Private sei auch politisch, bekommt in Scholz´ Essay eine völlig neue Wendung. Wie kann eine Familie demokratisch wachsen? Wie sollte eine Gesellschaft aussehen, die demokratische Familien ermöglicht? Dabei kommen viele Themen zur Sprache: die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die angemessene Wertschätzung von Alten-, Kranken- und Kinder-Pflege in und außerhalb der Familie, das Verhältnis von Familie und Feminismus.

In der Antike entstand die Abtrennung des Politischen als öffentliche Sphäre der Verhandlung gemeinsamer Themen durch gleichwertige – selbstverständlich männliche - Bürger mit Rechten und Pflichten – vom privaten Haushalt, in den die Frauen verbannt waren, um dort reproduktive Arbeit zu leisten und dafür vom Hausherrn versorgt zu werden. Dieses Ungleichgewicht führt bis zum heutigen Tag für weniger Wertschätzung und schlechtere Bezahlung in Berufen, die vorwiegend von Frauen ausgeübt werden.

Emanzipation für Männer und Frauen

Mit den Forderungen und Erfolgen von Frauen- und KinderrechtlerInnen im 20. Jahrhundert hielt die politische Sichtweise des Menschen als Individuum mit gleichen Rechten Einzug in die Familien. Mit der Verrechtlichung von Familienbeziehungen, sowie Outsourcing und Professionalisierung der Pflegetätigkeiten in Kita, Krankenhaus und Altersheim geht aber auch etwas Wichtiges verloren: Die Wertschätzung für die fürsorgliche Qualität von persönlichen Beziehungen in Gesellschaft und Familie.

Hier setzt Leander Scholz mit seiner persönlichen Erfahrung an und macht zahlreiche Vorschläge, wie die konkrete Erfahrung von Fürsorge als gesellschaftlich verbindende Kraft gefördert und genutzt werden könnte: Familienwahlrecht, Pflegejahr statt Wehrdienst, Emanzipation von tradierten Rollen für Mann und Frau… Wie sollten die großen Herausforderungen von heute – Corona lässt grüßen – und der Zukunft – Klima – auch bewältigt werden können, wenn nicht mit Bezug auf die gemeinschaftliche Verantwortung und Einbeziehung aller Lebewesen dieser Erde.

Buchtipp:
Zusammen leben
Leander Scholz
www.hanser-literaturverlage.de/.../978-3-446-26045-0/

Ich wünsche viel Freude und erhellende neue Einsichten bei der Lektüre.

Mein Fazit:
Wenn Paare Eltern werden, ändert sich alles. Von einem Moment zum nächsten entsteht eine Familie, Beziehungen bekommen eine völlig neue Dimension. Grenzenlose Verbundenheit und Fürsorge bestimmen für einige Zeit das Leben. Diese Erfahrung ist in der Lage, die Sicht des Menschen auf Leben und Gesellschaft radikal zu verändern. Lassen wir uns auf mehr Verbundenheit im Leben ein!

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