Mariendistel

So heißt das kleine Büchlein von Jesper Juul, das 1998 zuerst auf Dänisch unter dem passenden Titel „Hier bin ich! Wer bist Du?“ (Her er jeg! Hvem er du?) erschienen ist. Auf nur 90 Seiten findet sich die Essenz von Juuls Denken zum immerwährenden Erziehungsthema Grenzen setzen. Und keine der Seiten ist veraltet.

In kurzen und klaren Sätzen erklärt Juul die grundlegenden Fragen aus seiner Sicht: Wie verhält es sich mit Macht und Verantwortung? Was sind individuelle und generelle Grenzen? Sollen Eltern Konflikte vermeiden oder die Konfrontation suchen? Wie unterscheiden sich Konsequenzen von Strafen, Lust von Bedürfnissen? Dürfen Eltern schimpfen? Wozu brauchen Eltern und Kinder Regeln und Struktur? Wie fühlen sich Schuld und Verantwortung an?

Trotz seiner Klarheit ist das Buch wohltuend differenziert geschrieben. Es wird keine engstirnige Ideologie verbreitet, sondern das Buch beschreibt an vielen Beispielen verschiedene Möglichkeiten,

„… sich gegen andere Menschen, auch gegen kleine und große Kinder, so abzugrenzen, dass zwischen beiden Seiten ein möglichst guter Kontakt besteht und ohne dass eine von beiden Schaden leidet.“

www.rowohlt.de/buch/jesper-juul-grenzen-naehe-respekt

Konfrontation bedeutet Nähe

Die große Nähe zwischen Eltern und Kindern sorgt dafür, dass die jeweiligen Grenzen unvermeidlich verletzt werden. Juul sieht darin ein großes Geschenk, da die die Überschreitung die einzige Möglichkeit ist, sich der eigenen Grenzen bewusst zu werden und diese dann so zu verändern, dass sie für beide Seiten möglichst konstruktiv werden.

Dafür ist es wichtig, zwischen Form und Inhalt der Grenzsetzung zu unterscheiden. Juul wendet sich z.B. beim „Nein!“ gegen lange Erklärungen. Diese fordern vom Kind oft ein „vernünftiges Einsehen“, das implizit den Wunsch des Kindes als falsch erscheinen lassen. Auch wenn Eltern ihr Verhalten vom friedlichen Einverständnis des Kindes abhängig machen, erhalten diese zu viel Macht, mit der sie überfordert sind. Denn für die Qualität der Beziehung und der Interaktion bleiben immer die Erwachsenen verantwortlich.

Deine UND meine Bedürfnisse sind wichtig!

Die Eltern sind also doppelt verantwortlich. Sie müssen lernen, auf ihre eigenen Grenzen zu achten. Und sie müssen es dem Kind ermöglichen, zu lernen wie es seine Grenzen beachten und wahren kann. Ziel ist eine gleichwürdige Beziehung, in der beide Partner für sich einstehen dürfen, wo unterschiedliche Bedürfnisse und ihre größtmögliche Befriedigung die Regel sind.

Das Büchlein ist eine wunderbare Einladung, sich der eigenen Ansichten in der Auseinandersetzung mit Juul bewusst zu werden. Es zielt nicht auf Zustimmung oder eine besondere Methode. Familie werden ist ein gemeinsames Experiment, dessen Zukunft offen ist. Wie wunderbar, wenn dazu alle Beteiligten beitragen dürfen. Dann entsteht SpielRaum für Entfaltung par excellence.

Mein Fazit:
Konflikte sind kein Zeichen dafür, dass etwas falsch läuft. Weder ist es falsch ein Eis zu wollen, wenn man darauf Lust hat. Noch ist es falsch zu bestimmen, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür ist. Kinder testen keine Grenzen, sie suchen Kontakt und persönliche Authentizität. Geben wir ihnen doch beides! Ein wunderbares Buch von Jesper Juul: Grenzen, Nähe, Respekt.

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